Studenten – eine Alternative bei Fachübersetzungen?

Immer wieder tauchen ganz oben in den Google-Ergebnissen, also dort, wo unser Übersetzungsbüro eigentlich stehen sollte, Angebote einer Vermittlung von Studenten für allerlei Arbeiten wie Babysitten oder Gartenarbeit. Ja, ich erinnere mich an meine Schul- und Studentenzeit, als ich stundenweise im Garten von meist älteren Herrschaften die Erde umgegraben habe, um mein Taschengeld aufzubessern. Andere haben auch auf Kinder aufgepaßt, doch die Mütter hatten mehr Vertrauen in Studentinnen als in mich (obwohl ich immer Kinder mochte), so daß für mich eher körperlich harte Arbeit wie eben der Umgang mit dem Spaten oder das Schleppen von Bodenplatten einer Fliesenhandlung abfielen.

Ich bin ganz sicher, daß ich damals keinem ausgebildeten Gärtner und keinem Fliesenleger die Arbeit weggenommen habe, denn schließlich handelte es sich um einfache, unqualifizierte Hilfsarbeiten.

Nun hat die oben erwähnte Vermittlung neben relativ einfachen Jobs auch Übersetzungen im Katalog. Die Tätigkeit eines Übersetzers oder einer Übersetzerin ist jedoch alles andere als unqualifiziert, und einfach ist sie auch nicht. Obwohl nicht Voraussetzung, wird diese Arbeit meist von Akademikern ausgeübt, also von Diplom-Übersetzern bzw. neuerdings auch von deren Bologna-Entsprechungen und von staatlich geprüften Übersetzern, deren Prüfungen an sich, zumindest was die Schwierigkeit anbelangt, auch Hochschulniveau haben (dies mögen manche Diplom-Übersetzer vielleicht anzweifeln, ist aber so…). Und auch Juristen, Ärzte, Physiker oder Diplom-Betriebswirte lassen sich bisweilen herab, als Übersetzer zu arbeiten.

Es ist sehr schade, daß unser Beruf entweder so unbekannt ist, daß sich Firmen, offensichtlich in Unkenntnis der Materie und der Branche, sich blindlings in das scheinbar lukrative Geschäft des Übersetzens stürzen (und davon gibt es noch andere, die nicht nur Studenten vermitteln), oder eben so geringgeschätzt wird, daß jeder die Arbeit der akademisch gebildeten Übersetzerin machen kann. Vielleicht nicht jeder, aber doch jeder Student, schließlich haben fast alle Studenten Englisch und Französisch in der Schule übersetzen gelernt. Ob dies damit zusammenhängt, daß der Beruf des Übersetzers leider überhaupt nicht geschützt ist, also wie das Babysitten von jedem ausgeübt werden kann?

Der kritische Leser mag an dieser Stelle einwerfen, daß auch wir Studenten der Übersetzungsfakultäten Praktika anbieten. Unsere Praktikanten dürfen zwar mehr tun als Kaffee kochen oder kopieren, aber Ihre anspruchsvolle Vertragsübersetzung wird nicht von Studenten übersetzt, sondern von erfahrenen Fachübersetzern.

Ob es eine Nachfrage nach billigen Studenten-Übersetzungen gibt, weiß ich natürlich nicht. Doch ist Geiz geil, nicht zuletzt dank des bekannten Elektromarktes, und wo es ein Produkt billiger gibt, da wird dann sehr schnell verglichen, das Netz macht es möglich. 10 Euro für eine Übersetzungsseite (allein am Abrechnungsmodus ist ersichtlich, daß man keine große Ahnung von der Branche hat) hört sich sehr günstig an. Eine Seite ist natürlich sehr vage, das können 10, 30, 50 oder als kleingedruckte AGB auch mal 200 Normzeilen sein.

Was der Kunde auf keinen Fall bekommt, ist Qualität. Eine hochwertige Arbeit kann nicht von einem Studenten erbracht werden, auch nicht von einem Studenten der Übersetzungswissenschaften. Jedes Fach, jede Textsorte und jede Branche hat Eigenheiten, Termini und Nuancen, die eine Studentin (um zur Abwechslung wieder einmal die weibliche Form zu verwenden – immerhin sind über 90 Prozent der Übersetzer weiblich) ohne Erfahrung nicht kennen kann. Nur die Routine mehrjähriger Übersetzertätigkeit, möglichst unter den Fittichen eines erfahrenen Übersetzerkollegen oder -mentors führt zu einer perfekten Übersetzung.

Und die perfekte Übersetzung bekommt der Kunde eben nicht unbedingt über diejenigen Google-Suchergebnisse eines Anbieters, der ganz oben steht und eine Homepage mit schönen jungen, aber unerfahrenen Menschen hat.

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.